Tongariro Crossing – Der Zauber des Schicksalsberg

Es ist acht Uhr morgens und ich bin auf dem Weg Neuseelands berühmtesten Wanderweg entlangzuhüpfen. Meine Beine wissen noch nichts davon, sonst würden sie mit mir umkehren.
Ich habe mich auf Neuseelands Nordinsel in einer garstig-schönen Vulkanlandschaft verirrt, die wie nicht von dieser Welt wirkt.
Drei Vulkane thronen aus dem Plateau heraus: der uralte zerklüftete Mount Tongariro, nach dem auch der Nationalpark benannt ist, Mount Ruapehu, mit über 2.700m der höchste Vulkan der Nordinsel, auf dem ich drei Monate lang mit Brettern auf weißem Pulver sauste und der perfekt kegelförmige Mount Ngauruhoe, besser bekannt als „Mount Doom“ oder „Schicksalsberg“ aus „Herr der Ringe“. In dieser steinigen Einöde fanden seinerzeit die Dreharbeiten statt, hier tummelten sich ganze Ork-Armeen und ein beringter Hobbit, hier entschied sich das Schicksal von Mittelerde.
Während mir das alles durch den Kopf rauscht, falle ich aus dem Auto und blinzele müde in die Morgensonne. Es scheint ein sonniger Tag in Mordor zu werden, an diesem Morgen im November.
Der Tongariro Crossing ist eine der beliebtesten und spektakulärsten Tageswanderungen Neuseelands, bei der man das Tongariro-Vulkanmassiv überquert. Die Wanderzeit beträgt 8 Stunden, zieht sich 19 Kilometer lang und erstreckt sich über 1.000 Höhenmeter. Es ist machbar, man muss sich einfach von seinen Beinen hochschleppen lassen. Es ist anstrengend. Aber man kann alles schaffen, wenn man nur will.
Ich bin nervös. Ich habe nicht gut geschlafen und frage mich ob ich auf halbem Weg an den Hängen des Mount Doom zusammenbreche. Ich und all die anderen Wanderer, die sich an diesen Morgen an diese Wanderung trauen. Einige mit riesigen Rucksäcken, wo ich mich frage, was so ungeheuer wichtig ist, dass sie es mit auf diese Wanderung schleppen. Ich sehe Touristen mit Flip Flops, die das ganze wohl zu leicht genommen haben.
Die ersten Meter sind leicht. Ich hüpfe einen leicht ansteigenden Weg entlang und lege ein flottes Tempo vor, um keine Zeit zu verlieren. Es macht Spaß! Wie immer beim Wandern fühle ich mich belebt, froh und verzaubert, der schönen Landschaft wegen, auf der ich entlang spazieren und auf die ich einen Blick werfen darf.
Dann kommt ein Klohäuschen in Sicht, an das jemand: „Frodo wäre stolz auf mich“, gemalt hat. Es verströmt einen Duft, der mich schneller vorantreibt, als ich dachte gehen zu können.
Schon verändert sich die Szenerie. Es wird karg, steinig-düster, und steil. Endlich geht es bergauf: Durch Lavaströme und über schwarzes, scharfkantiges Gestein hüpfe ich hinweg, die „Devil’s Staircase“ – die Treppe des Teufels hinauf. Ich befinde mich direkt an der Flanke des großen Mount Ngauruhoe, dem Schicksalsberg aus „Der Herr der Ringe“. Mount Doom. Mit seiner perfekten Vulkanform thront er majestätisch vor mir auf, und spuckt ein paar Aschewölkchen in den verdächtig blauen Mordorhimmel, als versuche er mich zu warnen. Ich hätte nicht weniger erwartet.
Ich setze zum Sprung für ein Foto an und der Gedanke rauscht durch mein Hirn, dass Frodo sich wohl fragen würde, was ich da tue.

Dann stampfe ich weiter und erreiche eine gefühlte Ewigkeit später, die Weggabelung. Ein unglaubliche Aussicht erstreckt sich vor mir, inmitten von Wildnis. Es ist ruhig und nur das Pfeifen des Windes ist zu hören. Es ist magisch.
Mit bloßem Auge schaue ich auf das, was vor mir liegt und sehe ein paar Wanderer an seinen steilen Hängen über mir – ist da überhaupt ein Weg, frage ich mich!? Ich sehe wie sie sich querfeldein über Asche und Geröll an den fast senkrecht aufragenden Hängen hochquälen. Ich nehme einen großen Schluck Wasser aus meiner Wasserflasche und wage mich an den Aufstieg.
Der Wind pfeift mir um die Ohren der Trampelpfad ist glatt und ausgetreten. Mir kommen die Flip Flop-Touristen wieder in den Sinn, während ich mich über Asche und Geröll kämpfe. Jeder Schritt ist schwer und muss sitzen. Dann bin ich da.

Vor mir erstreckt sich die unglaublichste Aussicht, die ich jemals gesehen habe. Eine Aussicht, auf die ich solange gewartet habe und die ich auf unzähligen Bildern sah.
Zur einen Seite erhebt sich der Mount Doom mit der flachen Vulkanebene, die ich vorhin durchquert habe. Zur anderen Seite glänzen kleine smaragdfarbene Seen in der Sonne, und in der Ferne der Lake Taupo.

Der Wind hier oben auf knapp 2.000 m Höhe ist kalt und er bringt den Geruch von Schwefel mit. Alle bleiben stehen und sind fasziniert. Ich kann mich nicht sattsehen.
Das Kratergestein leuchtet im intensivsten rot, dass man fast meinen könnte, er wäre gerade erst ausgebrochen. Schon erahne ich, was hier für Kräfte geherrscht haben mussten. Ich fühle mich wie auf einem anderen Planeten.

Dann geht es querfeldein über Asche und Geröll an den fast senkrecht aufragenden Hängen wieder herunter. Es ist anstrengend, fast anstrengender als hinauf. Ich rutsche mehr, als das ich laufe und habe arge Not, nicht hinzufallen oder den kompletten Berg hinunter zu rutschen.
In der Ferne spuckt einer der Berge eine immer größer werdende weiße Wolke aus. Dann bin ich da. Bei den beeindruckenden türkisfarbenen Emerald Lakes. Hier ist der Schwefelgeruch am intensivsten. Überall dampft es aus der Erde, das Vulkangestein leuchtet und schimmert in der Sonne. Für mich sind diese natürlichen Farbspiele extrem beeindruckend.

Vor lauter Panoramen und Sonne, Freude und Stolzsein, Höhenluft und Stolpern durch loses Geröll und Vulkanasche verpasse ich es beinahe, rechtzeitig wieder abzusteigen. Ich kann mich einfach nicht sattsehen. Die vulkanisch beeinflusste Vegetation zeigt sich wunderschön und eröffnet mir einen gefühlt unendlichen Blick in Richtung Mount Pihanga und Lake Taupo.

Wie eine Erinnerung zieht der Himmel auf einmal zu und Mordor zeigt sich von seiner düsteren Seite, als ich den Abstieg beinahe rennend zurücklege. Völlig fertig erreiche ich den Parkplatz, überall liegen Leute auf dem Boden und im Gras – und schlafen. Ich werfe mich ins Auto und wir rasen los ins nächste Restaurant, um unseren Magen mit Essen zu füllen.
Noch immer sehe ich die Emerald Lakes vor mir und natürlich den Schicksalsberg: den Mount Doom.
Ja, Frodo wäre wohl stolz auf mich.


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