Huashan – die gefährlichste Bergtour der Welt

Am Wochenende habe ich mich auf den Mount Huashan geschleppt. Die Treppe zum Himmel, wie der Huashan Wanderweg im chinesischen Huashan Gebirge genannt wird, hat es ganz schön in sich.
Schmale Pfade, die sich in schwindelerregender Höhe um den Berg kämpfen, Treppen, die kein Ende nehmen, und kleine Löcher, die in den Fels geschlagen wurden. Huashan ist einer der gefährlichsten Wanderwege der Welt und ich habe ihn gemeistert. Und sogar an einem Tag 1750 Höhenmeter bewältigt.

Alles begann in den frühen Morgenstunden. Wir kauften ein Ticket, gaben unseren Fingerabdruck ab und ich ließ mich von meinen Beinen hinaufschleppen. Am Anfang waren sie total begeistert, rannten fast den gepflasterten Pfad bergauf. Schilder wiesen auf Gefahrenstellen hin. Frisch geputzte Toilettenhäuschen standen am Rand.
Vereinzelt waren Chinesen unterwegs. Mit Stöckelschuhen, die Frau habe ich nie oben ankommen sehen. In langen Mänteln, mit Handtaschen über makellose Wollpullis geschwungen, Plastiktüten in der Hand, befüllt mit Wasser und Nudelsuppen in Pappbehältern. Diese Nudelsuppen schleppen die Chinesen überall hin. In per Anhalter durch die Galaxie ist das Reiseutensil ein Handtuch, hier in China, die Nudelsuppe in einem Pappbehälter.
Einige liefen in Jogginghose und Turnschuhe, andere in Anzug, Lederschuhen und mit Zigarette hinter dem Ohr bergauf.
Nach 3 km begannen die ersten Treppen. Gefährlich schlängelten sie sich am Abhang entlang. Die Sonne knallte ins Gesicht. Weiter ging es hinauf, immer mehr Treppen. Immer weniger Menschen, die mithielten.

 

 

Wir kamen an Buden vorbei, die Nudelsuppen, Tomaten, Gurken und kalte Hühnerfüße verkauften. Souvenirläden boten Holzschwerter, Wanderstöcke und Schlösser mit individueller Namensprägung an. An jedem Geländer baumelten Hunderte oder gar Tausende davon.

Nun wurden die Treppen steiler, fast wie Leitern und die Beine müde. Die Hände krallten sich an der Kette fest, um nicht hinunterzustürzen.

 

 

Dann nach 5 Stunden stolzierten wir auf dem ersten Etappenziel, dem Wolkenterrassengipfel im Norden. Wir hatten 1200 Höhenmeter überwunden.

 


Nun trafen wir auf Leute, die mit der Gondel hinauf gekarrt worden waren. Wieder in langen Mänteln, mit Handtaschen und Stöckelschuhen. Wie bizarr, denn noch immer galt es 500 Höhenmeter zu dem höchsten Gifpel zu überwinden.

Dann waren wir auf der Treppe des Himmels, steil ging es hinauf, mit einem Ausblick zum Träumen.

 

 

Weiter ging es auf engen Treppen, steil, fast senkrecht, aber wieder mit einer Kette zum Festhalten. Dann waren wir oben, auf dem Lotusblumengipfel im Westen. Die Chinesen kleiden gern alles in schöne Namen.  Und so schön wie der Name, war auch die Aussicht.

 

 

Dann ging es weiter, hinauf zum Gänselandungsgipfel im Süden, der mit 2155 Metern alle anderen überragte. Ein massives Geländer schützte vor Unfällen, an ihm baumelten unzählige Erinnerungsschlösser. Hier konnte man seinen Blick auf Bäume und Kalkfelsen werfen.
Weil die Sonne dabei war, sich aus dem Staub zu machen, beschlossen wir wieder hinunterzulaufen. Die Knie schmerzten. Die Waden brannten.

 

 

Am nächsten Tag nahmen wir die Seilbahn zum North Peak und mussten nur noch 500 Höhenmeter überwinden.
Die Beine schmerzten vom Vortag, waren müde, wollten nicht.

 

 

Dann waren wir da. Auf der gefährlichsten und berühmtesten Stelle, einem Klettersteig mit morschen Holzlatten. Am Einstieg war ein kleiner Tempel in den Fels gehauen, denn schon viele Menschen waren hier ins Verderben gestürzt. Jemand legte uns ein Klettersteigset um die Schultern, mit zwei Karabinerseilen. Eine Instruktion gab es nicht. Die Seile wirkten dünn, die Schultersicherung machte nicht den Eindruck, die Wucht eines Sturzes auszuhalten.
Die Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich raffte all meinen Mut zusammen und kletterte hinab, 50 Meter bergab, über Eisenstufen im Fels. Versuchte meine Füße in die kleinen Ausbuchtungen zu stellen, die jemand in den Fels gehauen hatte und hielt mich an einer Kette fest. Ich war hoch konzentriert, jeder Schritt musste sitzen. Wir turnten immerhin auf einem wackligen, schmalen Brett ca 4000 Fuß (1200 Meter) in der Luft.

 

 

Dann spazierte ich über den engen Plankenweg. Die Holzbretter waren mit rostigen Nägeln fixiert. Ein Holzbrett war auf einer Seite lose und wackelte. Schnell sprang ich aufs Nächste. Dann sah ich hinab und staunte. Es bot sich mir eine Aussicht zum Träumen: So muss sich ein Vogel fühlen, über den Bergen und losgelöst. Ich stand da und war eins mit der Welt. Da war keine Angst mehr, da war nur noch Faszination. Ich befand mich in einer gefährlichen Situation, aber die Angst war weg. Ich war Herr über mein Schicksal und hatte das großartigste Gefühl der Welt.

 

 

Zurück ging es wieder auf demselben Weg. Ich musste mein Gurtzeug über andere Wanderköpfe heben und auf die Außenseite treten. Manchmal hatte ich nur Platz für einen Fuß. Der Chinese hinter mir löste beide Karabiner vom Drahtseil und ich war froh, ihn nicht hinunterstürzen zu sehen. Er hätte uns alle mitgerissen.
“Angst,” fragte eine grinsende Chinesin?
“Faszination”, sagte ich. Sie nickte und grinste.
Besonders schwierig wurde es an der Klippe, wo ich hinaufklettern musste und kaum Platz hatte.

Verlässliche Angaben zu Todesfällen gibt es nicht. Aber es heisst, dass hier jährlich rund hundert Menschen ums Leben kommen, womit, die Passage als “gefährlichste Bergtour der Welt” bekannt wurde. Wir haben sie gemeistert und es war eine ganz eigene Erfahrung. Es war das großartigste Gefühl, das ich je in meinem Leben hatte. Ich war völlig eins mit der Welt. Ich fühlte mich frei, wild und wunderbar.

 

 

 

 


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